[...]
Die schrecklichste der acht Höllen wird die „Ewige Hölle“ genannt. Dies bedeutet immerwährendes Leid. Daher der Name.
Mit diesem Zitat und einem visualisierten Abstieg in die achte Hölle beginnt der Film. Eine Metapher, die gar nicht unmittelbar auf die Handlung selbst angewendet werden muss, sondern sich viel mehr um die Charaktere in der Geschichte dreht. Ein Leitmotiv dieses Undercoverdramas, in dem sich zwei Maulwürfe versuchen, sich gegenseitig zu enttarnen.
Infernal Affairs mag zwar vorrangig ein Polizeithriller sein, dennoch verwendet er viel Zeit darauf, seine beiden Protagonisten Yan und Lau vorzustellen. Dass so ein Undercoverakt nicht spurlos an einem vorbeizieht, sollte klar sein. Dennoch bietet der Film mit vielen kleinen Details ein anspruchsvolles Bild dieser dreckigen Arbeit, in der man frisst oder stirbt. Wer zögert, stirbt. Wer sich etwas anmerken lässt, stirbt.
Gerade das gefällt mir hier so unglaublich gut. Durch die überragenden Akteure
(T. Leung, A. Lau, A. Wong), die bis in die kleinste Nebenrolle exzellent besetzt sind, hebt sich dieser handwerklich ohnehin schon perfekt inszenierte Film auf eine andere Ebene, die neben dem Thrill auch konfliktgeladene Charaktere aufweist. Statt eine platte schwarz/weiß-Malerei zu präsentieren, werden sämtliche Rollen mit kleineren Krisen ausgestattet, die sich immerzu um die (eigene) Identität drehen. „Ist er ein Cop?“ „Bin ich überhaupt noch ein Cop?“ „Ich musste schlimme Dinge tun, bin ich trotzdem ein guter Mensch?“ „Was würde passieren, wenn mir mein Leben so gefällt und ich einfach genau so weitermachen will?“
Fragen über Fragen, für die es keine direkte Antwort gibt. Das Rätselraten bleibt der Moral des Zuschauers überlassen, der selbst entscheiden muss, ob jemand ein guter Mensch ist und wie schwer manche Taten wiegen. Eine Entscheidung, die niemandem abgenommen werden kann, die sich auch die Protagonisten ständig stellen müssen und die daran zusehends scheitern. Auch wenn diese Frage schon Police Officer Lau
(Andy Lau) quält, so wird diese innere Identitätskrise erst durch Yan
(Tony Leung) auch für den Zuschauer vermittelbar. Er, der ständig auf der Hut sein muss; er, dessen eigentliches Leben schon vorbei war, als es gerade anzufangen schien. Da schmerzt so manche Begegnung umso mehr, wenn ihm vor Augen geführt wird, was hätte sein können, hätte er sich nicht dafür entschieden. Aber auch hier wendet der Film wieder zahlreiche Kniffe an, die das Ganze umso tragischer erscheinen lassen.
Was nun so klingt als hätte
Infernal Affairs nichts anderes zu bieten, dem sei versichert: Doch, das hat er. Die Inszenierung ist nicht ganz so geradlinig, wie sie der westliche Zuschauer vielleicht gewohnt sein mag. Es wird mit kleinen Flashbacks gearbeitet, Farbfiltern und einer sehr dynamischen Kameraführung, die sich auch so manchem Achsensprung nicht unterordnet. Die Art ist fordernd, aber nicht überfordernd, die Geschichte selbst ist nicht ausschweifend, sondern auf das Wesentliche runter gebrochen. Dennoch, oder gerade deswegen intensiviert sich eine Szene sehr schnell. Bereits zu Beginn wird durch eine schnelle Montage eine angespannte Atmosphäre vermittelt, die mit blassen Farbfiltern für unbequeme Visualisierungen sorgt, um so den Eindruck der für die Spitzel lebensbedrohlichen Situation noch zu verstärken. Bequem ist dieser Job nicht und das wird allein durch die Machart überdeutlich, während wir als Zuschauer einem Drogendeal beiwohnen, der von der Polizei überwacht wird. Schuss und Gegenschuss, das im Prinzip die gleiche Situation gespiegelt, bzw. modifiziert wiedergibt, werden zum Sinnbild der pulsierenden Stimmung.
Beeindruckend ist auch die Kameragestaltung selbst, die Details ins Zentrum rückt und die vorherrschende Atmosphäre permanent mitgestaltet. Auch wenn sie vereinzelte Hinweise auf die Identitäten der Maulwürfe bewusst einfängt, so kann man trotzdem nicht anders, als zu bangen dass sie nicht auffliegen. Oder zumindest der eine von ihnen, der so ziemlich alle Sympathien auf seiner Seite weiß.
Der Film bietet in der Hinsicht tatsächlich sehr viel Style. Ob es aber mehr Style als Substance ist, dass muss jeder für sich selbst entscheiden. Aus meiner Warte ist hier keine Einstellung zu viel, keine Zeile zu kurz und die Geschichte genau richtig, um den Figuren genügend Raum zur Entfaltung zu bieten und trotzdem für eine intensive Spannungskurve innerhalb der Handlung zu sorgen. So bleiben selbst kleine Randfiguren wichtig, die jeweils ihre eigenen kleinen Spotlights erhalten und die Geschichte mit Akzenten versehen, die auf lange Sicht notwendig sind oder gar als Schlüsselmomente dienen.
Infernal Affairs – Die achte Hölle ist ein nonchalanter schnörkelloser Thriller, der sich um ein Psychogramm zweier Cops dreht, die undercover agieren. Der eine in den Reihen der Triaden, der andere in den Riegen der Polizei. Hier wird 102 Minuten auf Vollgas gedrückt, bei der das Spannungsmoment in einer geraden Linie nach oben verläuft. Es ist ein Film, der mich gestern tatsächlich noch mehr beeindruckt hat, als er es damals, vor vier Jahren schon vermochte. Von daher kann ich hier nur von
meinem persönlichen Lieblingsfilm schwärmen, der aus oben genannten Gründen und des wunderbaren Inszenesetzens Hongkongs auf immer und ewig das Sinnbild für
meinen perfekten Film sein wird. Ich bin noch immer hin und weg.
[...]
Diese Review erschien im Original auf Infernal Cinematic Affairs.