Lassen wir kurz unsere Gedanken schweifen und versetzen uns in eine Welt, in der das Wort "Verbrechen" keine Bedeutung mehr zu haben scheint, ja vielleicht sogar komplett vergessen wurde. Eine Welt, in der Frieden und Ordnung herrscht, in der alle Menschen glücklich und zufrieden ein friedliches Zusammenleben in Harmonie und Einklang führen. Ein Welt in der eigentlich ubiquitäre Probleme wie Armut oder Hunger der Vergangenheit angehören. Ängste und Stress sind längst Nebensächlichkeiten geworden, ersticken doch präventive Sicherheitsmaßnahmen jegliche Art von Aggression im Keim und selbst die schwere Bürde kniffliger Entscheidungen wie z.B. das Wählen eines Berufszweiges, wird einem hier abgenommen, indem der Talentgrad eines jeden bestimmt und seine bestmögliche Zukunft prädiziert wird. Zusammengefasst: Eine Welt ohne Probleme, Sorgen und Nöte. Also eine perfekte Welt?
Psycho-pass wirft uns mir nichts dir nichts in diese Welt in Form eines autarken, von der Außenwelt abgeschotteten Japan und demonstriert anschaulich, dass dem wohl nicht so ist. Denn das alles hat auch seine Schattenseiten. Ständige Überwachung, Kontrolle und gegebenenfalls Isolation von der Gesellschaft trüben das Bild von einer perfekten Welt. Segen und Fluch zugleich ist das sogenannte "Sibyl- System", eine sakrosankte, maschinelle Instanz, welche bis auf die ausführende Gewalt alle übrigen Instanzen(Legislative und Judikative) in sich vereint und dementsprechend alle Entscheidungen von der Verurteilung von Straftätern bis hin zur Entscheidung der Lebensläufe aller Einwohner, in gewisser Maßen diktatorisch alleine fällt. Kurz Gesagt: "Sibyl´s Wort" ist Gesetz. Allerdings basieren diese Entscheidungen nicht auf die kapriziösen Launen eines menschlichen Egos, sondern auf die kalkülen, präzisen und somit scheinbar fairen Berechnungen eines Computers. Um den Überblick des Sibyl Systems über das Volk zu gewährleisten existiert der "Psycho-Pass", eine ID die jeder Mensch besitzt, und eine Art "Spiegel der Seele" darstellt, so kann man an dessen Farbe feststellen, in welcher geistigen Verfassung sich der Besitzer befindet und ob er eine potenzielle Gefahr für die Gesellschaft darstellt. Diese Einschätzung beruht auf der Aktivität der Gehirnwellen der jeweiligen Person, sowie an dessen Konzentration an Stresshormonen im Blut. An jeder Ecke gibt es Kymatische Scans, welche sämtliche Passanten scannen und deren "Psycho-Werte", bestehend aus Stresswerten(vermutlich Blutgehalt Cortisol, Cortison, Testosteron, Noradrenalin, Epinephrin Mol/l) und dem "Kriminalitätskoeffizienten", der anzeigt wie wahrscheinlich die Ausübung eines Gewaltdeliktes der jeweiligen Person ist, zeitgleich ans "Sibyl-System" weitergeben. Übersteigen Werte eines Psycho-Passes die Norm, bekommt man entweder eine Therapie verordnet oder wird gleich als unheilbar eingestuft und vom Rest der Gesellschaft als "stiller Krimineller" isoliert und weggesperrt. Ein Konzept dass ich schon sehr früh als fraglich einstufte, ist Stress nämlich etwas vollkommen natürliches und im Grunde auch nützliches, so ist er eigentlich nichts anderes als die Reaktion und Anpassung des Organismus an seine Umwelt um das Überleben des Organismus zu sichern. Es ist zwar richtig, dass Stress zur Zeiten unserer Vorfahren um einiges nützlicher war, sorgte er bei Gefahr, z.B. in Form eines Raubtieres, für eine Erregung des Endokrinen(hormonellen) und folgend auch Sympathischen(Erregendes) Systems, sprich Hormone, wie Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet, die Puls- und Atemfrequenz erhöht und die Blufgefäße weiten sich, der Organismus zielt quasi auf eine maximale Energieausbeute ab um lebensnotwendige Kraftreserven, die zur Flucht oder zum Kampf nötig sind, heraufzubeschwören. Stress ist demnach eigentlich nützlich, nur in unserer heutigen Welt ohne einen natürlichen Feind, steht er manchmal eher im Weg. Obwohl leichter Stress, die Konzentration und das Denkvermögen fördert und somit in unserer heutigen Welt immer noch von Nutzen sein kann. Allerdings leben wir in einer Umwelt die uns permanent Stressoren(Stressreizen) aussetzt und eine unkontrollierbar Ausschüttung von Stresshormonen zur Folge hat, was einen auf kurz oder lang dann doch schadet und nicht selten im allseits bekanntem Burn-Out Syndrom resultiert. Schuld ist der Mensch selbst, denn er hat sich diese Umwelt geschaffen. Der Mensch schafft sich eine Welt in die er physiologisch gesehen nicht reinpasst, eine Welt, die sich so rasant entwickelt, dass unser Organismus mit der Adaption an diese Umwelt nicht hinterherkommt.
Psycho-pass zeigt schonungslos, wo das enden kann. Es zeigt eine fiktive Welt, von der es aber äußerst naiv wäre zu denken, dass so was niemals Realität werden könne, in der unsere Menschlichkeit, unsere physiologischen und auch psychologischen, in Form von Freiheits- und Unabhängigkeitsdenken, Fundamente, zum Feind werden. Eine Welt, in der man seine Menschlichkeit im Grunde ablegen muss um zu bestehen. Ich danke
"Psycho-Pass", dass es mir das alles vor Augen führte, und mich dazu bewegte über grundlegende Dinge, wie Leben, Sicherheit und wie viel persönlichen Freiraum man nehmen dürfe, um dieses menschliche Bedürfnis zu gewährleisten, über Gut und Böse, den Mensch, überhaupt über so etwas banal erscheinendes wie die Definition von Verbrechen, Leben oder dem Menschen selbst, nachzudenken. Ich danke
"Psycho-Pass" dafür, dass mit ihm nicht wieder ein oller, primitiver Action-Anime bzw. allgemein Serie, die man auch problemlos mit 3 Gehirnzellen hätte verstehen können, auf dem Markt kam, sondern seit langem mal wieder ein spannender, anspruchsvoller Thriller, der, sofern man denn gewillt ist ein wenig Hirnschmalz zu investieren, es geschafft hat, dass ich unentwegt in einem Pool aus Gedanken und Überlegungen schwamm und manche meiner Werte und Weltbilder geradezu überschlug. Ich könnte noch Bände füllen über die Dinge und Erkenntnisse, die mir während der Serie durch den Kopf gingen, aber das würde erstens den Rahmen einer gewöhnliche Rezension sprengen und zweitens, was viel wichtiger ist, den Zuschauer später ersparen, sich eigens Gedanken zu machen und das ist etwas was den Anime sicherlich über weite Strecken trägt, dieses ständige Grübeln und Bewerten bzw. Vergleichen mit seiner eigenen Vorstellung von Recht beziehungsweise Gerechtigkeit.
AnimationDie Animationen sind allesamt auf dem Niveau einer 2013er Produktion, heißt saubere, flüssige Bewegungsabläufe und viele schöne, fulminante Hintergründe. Die Farbauswahl besteht größtenteils aus tristen Dunkeltönen, was natürlich gut mit der ernsten Szenerie und Thematik der Serie harmoniert. Besonders lobenswert finde ich den Einsatz von CGI-Effekten, der hier zahlreich zum Tragen kommt. Selten habe ich computeranimierte Animation bewundern dürfen, die sich derart gelungen in das Gesamtbild einfügt. Stark. Die Charaktere sind alle schön und sauber gezeichnet und der Anime kann diese Linie - bis eventuell auf Folge ~17,18, hier registrierte ich leichte zeichnerische Unstimmigkeiten, sowie hakelige bzw. steifere Bewegungsabläufe, als man es in den vorherigen Folgen gewohnt war - dauerhaft halten. Der Zeichenstil selbst ist ganz in Ordnung, allerdings hätte ich mir persönlich wegen des ernsten Themas einen etwas realitätsnäheren Zeichenstil gewünscht, alias
Death Note. Alles in allem ist die Animation ziemlich ansehnlich geworden, worauf ich sie knapp hinter
Zetsuen no Tempest: The Civilization Blaster einreihen würde.
SoundSoundtechnisch und insbesondere optisch bewegen sich die je 2 Openings und Endings auf einem hohem Niveau, wobei ich das jeweils erste Opening und Ending persönlich am Besten fand, speziell das erste Intro, verdient meiner Ansicht nach eine Runde Extraapplaus plus Standing Ovations. Seit langem mal wieder ein richtig starkes Opening dass sowohl vom Text, als auch vom Gesang her perfekt mit dem Anime korrespondiert und mehr als zu Gefallen weiß, vor allem die Stimme des Sängers bereitete mir immer wieder aufs Neue eine gewaltige Gänsehaut, dementsprechend traurig war ich auch als dieses grandiose Opening in Folge 12 abgelöst wurde. Nach etwa dreimaligem Hören des neuen Intros war die Trauer dann schon wieder abgeklungen und ich lernte auch das zweite Opening durchaus zu schätzen. Die BGM von Yugo Kanno blieb allerdings leicht hinter meinen Erwartungen zurück. Sie ist zwar sehr variantenreich und reicht von House und Techno bis zu klassischen und Jazz angehauchten Stücken und in der Regel werden die Szenen passend musikalisch untermalt, aber mir fielen daneben auch Szenen auf, bei denen ich mir dachte, dass die Musik irgendwie fehl am Platz sei. Ferner ist ein wahrhaftiger Ohrgenuss für meine Begriffe nicht dabei - Nun gut, ich habe ziemlich große Ansprüche -, ganz ansprechend fand ich dennoch das Main-Theme(beide Versionen), "God´s Omnisience" und "Importance of Life". Obligatorisch bringen die Seiyuus die Stimmung und Verfassung der Charaktere perfekt rüber und lassen was die Synchronisation angeht, wie üblich, keine Wünsche offen.
StoryDie Geschichte handelt grundsätzlich von Akane Tsunemori´s Werdegang als backfrische Inspektorin beim Amt für öffentliche Ordnung. Ihre ersten Eindrücke und ihr Versuch mit ihrer neuen Position und ihren Kollegen, bestehend aus einem gleichwertigen Partner, sowie vier "Vollstreckern"(Ehemalige Inspektoren, die aufgrund eines erhöhten Kriminalitätskoeffizienten zu eine Art "Jagdhund" für die Drecksarbeit degradiert wurden), klar zu kommen, sowie der Konflikt zwischen ihrer Definition von Gerechtigkeit und die Art wie sie als Inspektorin mit "Verbrechern" umzugehen hat. Nach wenigen Folgen offenbart sich obendrein in Makishima Shougo der "Staatsfeind Nr. 1", den es zur Strecke zu bringen gilt. Die nachfolgenden Episoden sind ein Katz&Maus Spiel zwischen der Polizei und Makishima Shougo, was im Endeffekt in die Auflösung eines weitreichenden Komplotts und die Wahrheit hinter dem "Sibyl- System" gipfelt. Wie oben schon angedeutet, ist die Story ziemlich tiefgründig und man sollte schon mal das wiederholte Ansehen einer Folge einkalkulieren, um immer auf der Höhe des Geschehens zu bleiben und sich allen Vorgängen sowie Informationem bewusst zu sein. Ansonsten positiv fällt aus, dass die Story prinzipiell konkludent von statten läuft und ohne größere Logikfehler auskommt und die kleineren logischen Engpässe - oder was zumindest aus meiner subjektiven Sicht aus unlogisch wirkte - verpassen der Story gewiss keinen Genickbruch. Die Story an sich ist jetzt nichts weltbewegendes - Kampf zwischen Gut gegen Böse, Intrigen und Kabale hatten wir schon mal - und hätte um einiges dramatischer inszeniert werden können, allerdings lässt das vorliegende Szenario - Wer ist hier eigentlich gut und wer böse? - die Story in einem beachtlich hellen Licht stehen.
CharaktereDie Anzahl an mehr oder weniger wichtigen Charakteren liegt pi mal Daumen bei 12, was für eine 22 Folgen umfassende Serie, ein gesundes Mittelmaß darstellt. Protagonist ist die anfangs noch etwas unbeholfene und naive Akane Tsunemori, deren Person mehr Tiefgang enthält als man zu Beginn vielleicht noch vermuten mag und bis zum Finale eine äußerst positive Charakterentwicklung durchmacht. Als zweitwichtigster Charakter sollte man Shinja Kougami nennen, ein zum Vollstrecker degradierter ehemaliger Detective, der mit Intelligenz, Durschlagskraft, gutes Aussehen und Coolness aufwarten kann. Inspektor Ginoza, der die Rolle des kühlen, emotionslosen Kollegen übernimmt, dessen Art auf Grund seiner Vergangenheit gleichwohl mehr als nachvollziehbar ist. Die restlichen Konsorten bestehen aus dem impulsiven Shuusei Kagari, der frigiden Shion Karanomori, und den altgedienten, erfahrenen und konventionell denkenden Tomomi Masaoka. Mit Makishima Shougo bietet man mal wieder einen Antagonisten, wie ich sie am liebsten habe: intelligent, kalt und wohl wissend wie man andere Menschen für seine eigenen perfiden Zwecke manipuliert. Schön ist zudem die Tatsache dass seine subversive Denkweise und Motive völlig nachvollziehbar sind. Als Zuschauer sieht man sich hier obendrein immer einen inneren Konflikt ausgesetzt, versucht unser Antagonist doch das "Sibyl-System" zu stürzen und das ohne Hintergedanken zur eigenen Machtergreifung. Zugegebenermaßen habe ich zeitweise sogar mit ihm sympathisiert, allerdings nur zeitweise... Schade finde ich nur, dass er es zumindest bei mir nicht schaffte ein ständiges Gefühl der Angst auszulösen, er war einfach nicht bosartig genug, wie es z.B. ein Johann Liebert tadellos vorführte. Insgesamt erwartet uns hier ein stimmiger und angenehmer Cast, der auf protagonistischer und antagonistischer Seite zu delektieren weiß.
FazitEndlich mal wieder ein Anime, bei dem man tiefer in die Materie vordringen und seine Neuronen aus dem Urlaub zurückholen kann. Ansonsten hat
Psycho-pass keine nennenswerte Schwäche - ganz im Gegenteil -, unglücklicherweise haut einen aber auch nichts so wirklich vollkommen aus den Socken. Somit blieb bei mir der "Flash" nach der letzten Folge leider aus. Soll jetzt aber nichts daran ändern, dass Psycho-Pass mit Sicherheit einer der hochwertigeren Animevertreter im Jahre 2013 ist und von mir, für alle die auf anspruchsvolle und spannende Unterhaltung stehen, eine klare Empfehlung ausgestellt bekommt.