SabriSonneEditeur
#1Bungou to Alchemist war einer dieser Anime, die es einem nicht leicht gemacht haben. Nicht nur die ständigen, wochenlangen Pausen aufgrund von Corona, sondern vor allem die Tatsache, dass man bis zu letzt nicht wirklich weiß, was der Anime eigentlich sein will...
zur Handlung
Bungou to Alchemist ist ein spezieller Anime, bei dem ich in den ersten Folgen schon wusste, dass er nicht jedem gefallen wird. Keinerlei Damen, nur gut aussehende Jungs, die in typischer Otome-Manie unspektakulär und gringy irgendwelche Schattenmonster bekämpfen. Und es stimmt, wäre das typische Frauenzimmer noch im Bilde, hätte man Bungou to Alchemist tatsächlich in die lange Reihe der unnötigen, unspektakulären und v.a. nichtssagenden "blah blah blah - the Animation" einreihen können.
Gott sei Dank macht die Serie jedoch einen entscheidenden Punkt anders, und das ist die Grundidee der Handlung. Böse Bücher, die ein Eigenleben entwickeln, kennt der eine oder andere bereits aus Dantalian no Shoka, doch hier merkt man schnell, dass das Grundkonzept irgendwie anders ist. Es geht um Literatur. Es geht um Interpretation. Es geht um die im Deutschunterricht von allen gehasste Frage "Was hat sich der Autor dabei gedacht?". Es geht um die "richtige" Aussage von Werken, die gefunden werden will, um das von den Taints veränderte Buch wieder zur eigentlichen Handlung zurückzuführen und damit die Geschichte zu beenden. Es geht um die Tatsache, was in einer Welt ohne Literatur passieren würde. Es geht darum, wie Literatur Menschen beeinflusst, wie Autoren Menschen beeinflussen. Es geht darum, wie Autoren mit ihren eigenen Büchern zu kämpfen haben, wie sie sich in der Gesellschaft behaupten müssen, wie sie den Erwartungen an ihren eigenen Stil gerecht werden müssen. Es geht sogar darum, dass Autoren manchmal sogar ihre eigenen, doch sehr bekannten Werke am liebsten vernichten würden.
Man merkt, die Handlung geht schnell in eine Art Meta-Ebene, die sich selbst und damit auch die Autoren als solche interpretiert. Dies erfolgt in der Regel an den bekanntesten Werken des jeweiligen Autors, die zwar der japanische Schüler wahrscheinlich aus dem Literaturunterricht der High School kennt, einem Europäer aber doch eher unbekannt sein werden. Ich würde aber nicht behaupten, dass diese Tatsache schlecht ist, denn klar, man kennt das Originalwerk nicht und wird mit der Interpretation des Anime selbst konfrontiert, zum anderen kann man sich dadurch aber auch unbefangen auf die unterschiedlichen Geschichten einlassen. Und diese haben es zum Teil wirklich in sich, da man hier nicht die typische Standardkost präsentiert bekommt, sondern tatsächlich Geschichten mit Tiefgang, mehreren Interpretationsebenen und komplexen Ideen, Charakteren und Motiven. Als geübter und interessierter Zuschauer merkt man schnell, dass sich hinter den einzelnen Geschichten so viel mehr noch verbirgt, als man im ersten Moment in der Folge sieht und ich habe mich mehr als einmal dabei erwischt, wie ich einzelne Geschichten interpretiert, in Frage gestellt oder einfach nur für die Komplexität als solche bewundert habe. Ebenso möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen, dass ich ebenso oft auf Amazon geschaut habe, ob es das eine oder andere Buch zumindest in englischer Version zu kaufen gibt, so beeindruckt war ich von einigen Handlungen.
Nichts desto trotz kämpft der Anime schwer mit den typischen Otome-Schwächen. Die Kämpfe gegen die Taints sind meist super kitschig und werden dann noch mit einer sowas von klassischen, penetranten Game-Musik hinterlegt, dass es echt weh tut. Die typisch sinnlosen Folgen wie "wir machen einen Kochwettbewerb" und ähnliches nehmen zwar nur einen kleinen Teil der Handlung ein, sind aber trotzdem da und nerven.
Hinzu kommt für mich, dass das Ende zwar als Grundkonzept sehr interessant war, doch leider verläuft es zu vorhersehbar und zieht sich stellenweise wie Kaugummi, dass man emotional einfach nicht mitgerissen wird.
Ebenso kann Bungou to Alchemist bis zu letzt nicht klären, was es eigentlich mit dieser magischen Bibliothek auf sich hat, in der nach einem vollkommen unerklärlichen Konzept die Geister von Autoren wiederbelebt werden. Ebenso erfährt man bis zum Schluss nicht, wer der "Alchemist" der Bibliothek ist, geschweige denn, wie er funktionert.
zu den Charakteren
Wer sich das Opening ansieht (das nebenbei bemerkt eines der für mich schönsten dieses Jahres ist! Sogar das Video selbst wird überraschend vielschichtig, wenn man sich den Anime ansieht und immer mehr Informationen über die Figuren erhält!), der wird bemerken, dass es eine ganze Fülle an Figuren gibt. Auch hier hat der Japaner aus dem Literaturunterricht den Vorteil, handelt es sich doch um Anime-Versionen bekannter Autoren des späten 19. - frühen 20. Jahrhunderts. Doch auch der europäische Animefan ist nicht verloren, kommen einem doch die meisten Namen aus einer anderen "Bungou-Serie", Bungou Stray Dogs, bekannt vor. Ich muss zugeben, mir hat Bungou to Alchemist echt die Augen geöffnet, denn während sich Bungou Stray Dogs einfach nur die Namen ausleiht und nichts mit den realen Personen gemein hat und auch nichts aus den Vorlagen macht, versucht Bungou to Alchemist sich an realen Personenkonstellationen zu orientieren. Gewisse Charaktere kennen sich bereits aus dem "realen Vorleben", haben zusammengearbeitet oder hatten bereits persönliche Bewunderung zum einen oder anderen. Interessanterweise ist der Anime dabei sehr tatsachenkonform und erzählt von tatsächlich passierten Ereignissen, da man als Zuschauer schnell den Drang bekommt, den einen oder anderen Namen doch mal in Google einzutippen.
So zeigt der Anime auch recht unverblümt, wie sehr einzelne Charaktere mit ihrer Rolle als Autor zu kämpfen haben, wie anstrengend es sein kann, immer wieder Geschichten zu schreiben, die immer wieder und wieder den Erwartungen der Gesellschaft entsprechen müssen und wie schnell man sich als Autor dabei verlieren kann.
Dennoch bleiben die Anime-Versionen der Personen selbst im Endeffekt jedoch alle auf dem typischen Otome-Level hängen. Leider entwickelt sich so gut wie keiner in irgendeine Richtung und wenn die persönliche Geschichte abgeschlossen ist, dann werden sie auf's Abstellgleis geschoben. Manche bekommen zwar noch kleinere Parts als Nebencharakter, aber wenn man nicht Osamu Dazai oder Ryounosuke Akutagawa heißt, dann hat man eigentlich keine Chance. Und das ist wirklich schade! Nicht um die Charaktere selbst, da diese meist eine Persönlichkeit wie ein leeres Blatt Papier haben, sondern eher um deren Synchronsprecher, da hier wirklich viel mit Rang und Name synchronisiert wird und man die dann als Zuschauer auch gerne hören möchte.
Überhaupt ist es sehr schade, dass die Figuren hinter den überragenden Handlungen so dermaßen abfallen. Wirklich keiner hat Persönlichkeit, obwohl viele interessante Ideen und Motive angedeutet werden, wird nur wenig Kapital für die Figuren als solche oder deren Entwicklung daraus geschlagen, sodass viele interessante Ideen auf die Dauer verpuffen. Meiner Meinung nach liegt es an der bloßen Fülle der Figuren, die sich zum Finale hin auf weit über 10 beläuft. Charaktere werden eingeführt, teilweise in der selben Folge schon wieder fallen gelassen, andere sind schon da, laufen aber nur durch's Bild und die letzte Gruppe wird sogar erst 3 Folgen vor Ende eingeführt, wo selbst ich mir schon dachte "Warum DIE jetzt auch noch!?". V.a. haben 2 dieser Figuren zusammengenommen genauso viele Lines wie Osamu in einer einizigen dieser doofen Abspanngeschichten, und wenn es gerade für diese dann brenzlig wird, kommt man als Zuschauer gar nicht in die Situation Emotionen zu entwickeln, oder traurig zu sein, wenn ihnen etwas passieren könnte. Man kennt sie ja eh nicht. Und wo wir gerade bei nicht kennen sind: 2 Charaktere aus dem Opening tauchen noch nicht mal in der Serie auf!! Haben sich denn die Produktionen der Serienanimation und Openinganimation überhaupt nicht abgesprochen?!
Da tut es dann auch fast nichts mehr zur Sache, dass man sich als Zuschauer nicht einmal ansatzweise die Namen merken kann, gerade weil sich die Figuren auch nur selten mit diesen anreden. So speichert man viele Figuren nur als "die Rolle von [...]" ab, wenn man denn den Synchronsprecher kennt und entwickelt damit so gut wie keine emotionale Bindung zu diesen. Und warum es als "Anführer" eine Katze braucht, soll mir bitte auch mal jemand erklären.
Fazit
Bungou to Alchemist ist ein Anime, der nicht für Jedermann ist. Aufgrund der starken Fokussierung auf die Literatur als solches, sollte man als Zuschauer schon einen gewissen Hang zur Thematik haben, ansonsten kann es schwer werden, einen Draht zur Serie zu bekommen.
Wer wie ich ein kleines Literaturhäschen ist, der wird sicherlich an der stellenweise wirklich interessant gemachten Aufbereitung grandioser literarischer Werke seine Freude haben und sich auch noch nach der Folge Gedanken über Motive und Interpretation machen können. Mehr als einmal werden Autoren und ihre Werke kritisch reflektiert, was ich als Zuschauer als sehr erfrischend und v.a. als neue Idee empfand, die mich teilweise zum ersten Mal in dieser Richtung zum Nachdenken bewogen haben.
Leider macht der Anime jedoch auch zu viele Fehler, um ihn tatsächlich besser bewerten zu können, obwohl ich das sehr gerne tun würde. Aber die Schwächen bei den Figuren selbst, die fehlenden Erklärungen, das schwache Pacing am Ende in Zusammenhang mit einem unspektakulären Finale und v.a. die vielen "Otome-Szenen", die man bei solch einer starken Grundidee wirklich nicht braucht, wiegen leider genauso stark wie der literarische Glanz der Serie.
Im Endeffekt ein Anime der anderen Art, der sich auf Literatur stützt und diesen Schwerpunkt wirklich herausragend ausarbeitet, der sich jedoch im Verlauf mehr als einmal verrennt. Und das tut hier besonders weh, denn ich habe tatsächlich das Gefühl, hätte sich der Anime wirklich ausnahmslos auf die Literatur konzentriert, hätte sich hier ein ganz neues Genre an Anime auftun können.
La dernière édition du sujet a eu lieu le 16.10.2021 10:43.